Das Ettin-Begräbnis

Das Ettin-Begräbnis

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Posted by: Felanox.9126

Felanox.9126

Die sanfte Morgensonne kletterte langsam und anmutig über die weit entfernten Zittergipfel, wie ein langsamer, goldener Fluss, der nach jahrelanger Dürre zum ersten Mal wieder Wasser fuhr. Langsam, aber genauso unaufhaltbar wie eine Sturmflut krochen die ersten Strahlen immer weiter gen Westen, bis sie schließlich auch die Gesichter von Jorn und Groch erreichten.

“Goldene Scheibe!” -“Grlwl” – “Groch kämpfen!” – “Jorn schlafen!”

Der Ettin war mit seiner Lieblingsbeschäftigung vollauf ausgelastet. Streiten. Ettins liebten es zu streiten. Stets war der der eine Kopf schlauer, der andere Kopf hässlicher, und der andere hatte den groteskeren Körper. Es dauerte oft lange, bis sie bemerkten, dass sie über ein und den selben Körper redeten, aber häufig genug viel ihnen auch das nicht auf. Jorn und Groch waren davon keine Ausnahme, im Gegenteil.

Der stets kampflustige Groch war bestrebt, jedem Tier, jeder schrecklich aussehenden Pflanze und jedem Wesen, das es wagte, sich in den Weg zu stellen, gegenüberzutreten und ihm die Stirn zu bieten. Jorn hingegen liebte den Schlummer, die schwarze, warme Welt, die ihn von Groch wegbrachte und ihm ein paar selige Stunden der Ruhe gönnte.

“Groch kämpfen! Jorn mitkommen” – “Jorn nicht kämpfen!”

Ein Ettin war zufrieden, sofern er sich streiten konnte, einen guten Kampf hinter sich hatte und etwas zu Essen fand. Letzteres bereitete Jorn und Groch aber schon seit Tagen Schwierigkeiten. Der gottverlassene Sumpf hatte in den letzten Tagen schwarze Gestalten ausgespuckt, deren Fleisch ungenießbar war, und die Insekten waren für Jorn noch nervtötender gewesen, als alle Kampfschreie von Groch auf einmal. Selbst der Fisch, den sie dann letzten Endes gefangen hatten, hatte nach Schleim geschmeckt und Jorn hatte fast alles, was Groch in sich hineingeschlungen hatte, kurz darauf wieder erbrochen.

Diese Not brachte sie dazu, sich ausnahmsweise in die Gebiete der anderen Ettins und Veteran Vrug zu begeben. Ihr Ziel waren die Taminn-Hügel. Die Vorräte sowie die hässlichen Pferdemenschen sollten ihren Hunger nach Kampf und in ihrem Magen vorerst stillen.

“Groch Hunger, Groch kämpfen Pferdemenschen, Groch essen Pferdemenschen, und Jorn helfen!”. Jorn zögerte eine Weile. Dann antworte er: “Jorn Hunger, Jorn helfen”.

Mit einer langsamen, schlurfenden Bewegung rückte der Ettin voran. Diese Art der Ettins war ein Zeichen davon, dass die Köpfe unterschiedlich gingen. Während der eine laufen wollte hatte der andere vor, gemächlich zu gehen. Hinter sich zog er eine schwere Holzkeule zog. Das feste Holz stammte aus einem von Grochs Kämpfen, ein nicht ganz unnützes Souvenir. Bald sah der zweiköpfige Oger seine Artgenossen, rempelte hier und dort ein schwächer aussehendes Exemplar an und stand schließlich vor Veteran Vrug.

“Wir Hunger!”, sagte der Veteran. Selbst für einen Ettin war er hoch gewachsen. Zahlreiche Narben und seine zerknitterte dunkelgraue Haut zeugten von einem abwechslungsreichen Leben zwischen Sonne und Kampf. Er streckte die Keule in die Richtung des Taminn-Lagers. “Dort Essen!”. Damit war die Ansprache Vrugs schon beendet und sie setzten sich in Bewegung. Jorn hatte auch Hunger, und diese Kost schien er dieses Mal besonders einfach zu bekommen. Daher entschied er sich dagegen, Groch in den Rücken zu fallen und zu schlurfen anstelle zu laufen und fing an,

Während sie zum Taminn-Lager liefen konnte Jorn einen dieser Menschen sehen, die vor ein paar Tagen mit vielen anderen Ettins geredet hatten. Aber nur kurz, den Groch trieb den Körper an. Sie liefen jetzt mit erhobenen Keulen, stürmten auf den Gegner heran und ihr Heulen erfüllte die Luft. Rufe drangen aus dem Lager, als die Taminn sich schnell formierten und eine Abwehr errichten. Ein Pfeilhagel ging auf die grünen Riesen nieder, aber viele der Pfeile drangen nicht tief genug ein um sie tatsächlich zu stoppen. Jorn fluchte, stimmte aber dann mit ins Geheul ein.

Groch und Jorn traten als erste einem Zentaur gegenüber. Er war immer noch überrascht vom dem plötzlichen Angriff einer geballten Ettin-Armee, und noch überraschter war er, als der Schlag seinen Rücken brach und der Schmerz ihn ohnmächtig zu Boden fallen ließ. Ein weiterer Hieb sorgte dafür, dass er nie wieder Schmerz verspüren würde.

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Das Ettin-Begräbnis

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Posted by: Felanox.9126

Felanox.9126

Schlag für Schlag, Keulenhieb für Keulenhieb fällte der Ettin seine Gegner. Jorn und Groch kämpften mit Freude. Ein Ettin kämpfte nur dann gut, wenn beide Köpfe sich dazu entschließen das selbe zu tun, oder einer der Köpfe schlief, und in diesem Moment kämpften sie zusammen, schwangen die Keule von links nach rechts und erfüllten die Luft mit fliegenden Pferdekörpern.

Immer weiter trieben sie die Feinde zurück, bis sie sich von ihnen umzingelt sahen. Zwei von ihnen hatten geladene Armbrüste und feuerten sie auf den Ettin. Jorn zuckte zusammen. Ein Pfeil hatte seinen Arm getroffen, der andere ihn anscheinend verfehlt. Dunkles Blut sprudelte aus der Wunde und benetzte den aufgewühlten Lehmboden. Jorn hob die von Blut tropfende Keule und stürmte auf die beiden Angreifer.

“Ihr Jorn wehtun! Jorn euch töten!”

Mit einem Schlag riss er einen der beiden von seinen Hufen, mit einem weiteren, entgegengesetzten drängte er zwei weitere Angreifer mit Schwert und Schild zurück. Er schrie, trat einen Schritt vor und schlug noch einmal zu. Der Zentaur, der sich nicht mehr rechtzeitig zur Seite bewegen konnte wurde unter der Last der Keule auf den Boden gedrückt und ein grässliches Knirschen ertönte als seine Rippen brachen. Ein andere Zentaur ergriff die Gelegenheit und schlug mit seinem Schwert zu, schaffte es aber aufgrund der Distanz nur einen Schnitt auf dem bereits verletzten linken Arm des Ettins zu setzen.

Der grüne Riese heulte, trat nach seinem zweiten Widersacher. Dieser wich nach hinten aus und stolperte über eine Baumwurzel. Grölend holte Jorn aus, nur, um von einem Keulenhieb neben ihm auf den Boden geworfen zu werden. Jorn war verwirrt. Hatte ihn ein Ettin geschlagen? In dieser Schlacht?

Mühsam stand er auf und sah, dass Vrug den zweiten Armbrustschützen unter seiner Keule zermalmt hatte, kurz bevor dieser sich mit einem Schwert auf Jorn stürzen konnte. Er suchte nach seinem anderen Gegner, doch die Pferdemenschen hatten bereits aufgegeben und suchten das Weite. Jorn jubelte. Was für ein großartiger Tag.

“Jorn essen! Jorn freuen!”

Er zertrümmerte eines der Fässer und griff nach einem Stück Fleisch. Er verschlang es gierig als ihm etwas auffiel. Es fehlte ihm etwas. Kampf. Essen… Streit? Warum konnte er als erstes essen? Warum hatte Groch sich nicht mit ihm einen Kampf geleistet, wer den ersten Bissen bekommen würde?

“Groch schlecht kämpfen! Jorn gut kämpfen!”

Keine Antwort.

“Groch nicht essen! Jorn essen!”

Keine Antwort.

“Groch?!”

Vielleicht brauchte er etwas zu trinken. Der Ettin ließ das Fleisch sinken, griff sich ein Weinfass und leerte es über den Köpfen. Als nichts geschah griff er sich an den Kopf. Es krachte, und ein gefiedertes Holzstück fiel auf den Boden. Als Jorn auf den Boden blickte sah er im schnell versickernden Wein Grochs und sein Spiegelbild. Grochs totes Auge starrte ihn an, aus seinem zweiten Auge ragte ein Bolzen.

“Groch… tot.”

Wie in Trance ließ der Ettin das Fass sinken und wandte sich von dem Lager ab. Er schlurfte zurück über das Feld, bis er weichen Boden gefunden hatte. “Groch tot” wiederholte er und begann zu graben. “Groch tot”. “Groch begraben”. “Groch tot”. “Groch begraben”. “Groch tot”. “Groch begraben”. “Groch tot”. “Groch begraben”.

So ging es über Stunden hinweg, bis der Riese in Grab geschaufelt hatte, das groß genug für seinesgleichen war. Er betrachtete die leuchtende Scheibe im Westen. Lange, lange Zeit stand er einfach nur da, in dem Loch, das er gegraben hatte. Als die Nacht schließlich hereinbrach nahm er seine Keule und holte weit aus.

“Jorn schlafen.”


Der Text ist damals unter den Eindrücken des ersten oder zweiten Betawochenendes entstanden, aufgrund der Ettins die man südöstlich in Königintal findet. Es hatte mich damals interessiert, inwiefern die zwei Köpfe unterschiedlich voneinander agieren.

Der Beitrag musste leider zweigeteilt werden, weil seit dem Release die maximale Größe der Beiträge begrenzt ist.

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Posted by: Hallagar.9765

Hallagar.9765

Wow, da bin ich jetzt echt baff. Diese Geschichte ist dir wirklich richtig gut gelungen. Außer einiger unglücklicher Formulierungen oder Satzbaufehler ist deine Geschichte echt super! Diese kleinen Fehler ignoriere ich aber eigentlich auch immer, da mir sowas selber oft genug beim Geschichtenschreiben passiert. Einfach nochmal langsam Wort für Wort drüberlesen, oder mal wem anders zum korrekturlesen geben^^ …

Deine Geschichte bringt mich einige Male zum schmunzeln, sehr cool finde ich auch “Ein Ettin kämpfte nur dann gut, wenn beide Köpfe sich dazu entschließen das selbe zu tun, oder einer der Köpfe schlief” … Deine Ausdrucksweise wenn es um die Ettins geht ist zum schießen :P … Wirklich saubere Arbeit. Kommt da noch mehr?

Grüße,
Hallagar

Hallagar Sintuneus,
Gott unter Sterblichen.
- Was guckst du so blöd – Bookah? -