Die sanfte Morgensonne kletterte langsam und anmutig über die weit entfernten Zittergipfel, wie ein langsamer, goldener Fluss, der nach jahrelanger Dürre zum ersten Mal wieder Wasser fuhr. Langsam, aber genauso unaufhaltbar wie eine Sturmflut krochen die ersten Strahlen immer weiter gen Westen, bis sie schließlich auch die Gesichter von Jorn und Groch erreichten.
“Goldene Scheibe!” -“Grlwl” – “Groch kämpfen!” – “Jorn schlafen!”
Der Ettin war mit seiner Lieblingsbeschäftigung vollauf ausgelastet. Streiten. Ettins liebten es zu streiten. Stets war der der eine Kopf schlauer, der andere Kopf hässlicher, und der andere hatte den groteskeren Körper. Es dauerte oft lange, bis sie bemerkten, dass sie über ein und den selben Körper redeten, aber häufig genug viel ihnen auch das nicht auf. Jorn und Groch waren davon keine Ausnahme, im Gegenteil.
Der stets kampflustige Groch war bestrebt, jedem Tier, jeder schrecklich aussehenden Pflanze und jedem Wesen, das es wagte, sich in den Weg zu stellen, gegenüberzutreten und ihm die Stirn zu bieten. Jorn hingegen liebte den Schlummer, die schwarze, warme Welt, die ihn von Groch wegbrachte und ihm ein paar selige Stunden der Ruhe gönnte.
“Groch kämpfen! Jorn mitkommen” – “Jorn nicht kämpfen!”
Ein Ettin war zufrieden, sofern er sich streiten konnte, einen guten Kampf hinter sich hatte und etwas zu Essen fand. Letzteres bereitete Jorn und Groch aber schon seit Tagen Schwierigkeiten. Der gottverlassene Sumpf hatte in den letzten Tagen schwarze Gestalten ausgespuckt, deren Fleisch ungenießbar war, und die Insekten waren für Jorn noch nervtötender gewesen, als alle Kampfschreie von Groch auf einmal. Selbst der Fisch, den sie dann letzten Endes gefangen hatten, hatte nach Schleim geschmeckt und Jorn hatte fast alles, was Groch in sich hineingeschlungen hatte, kurz darauf wieder erbrochen.
Diese Not brachte sie dazu, sich ausnahmsweise in die Gebiete der anderen Ettins und Veteran Vrug zu begeben. Ihr Ziel waren die Taminn-Hügel. Die Vorräte sowie die hässlichen Pferdemenschen sollten ihren Hunger nach Kampf und in ihrem Magen vorerst stillen.
“Groch Hunger, Groch kämpfen Pferdemenschen, Groch essen Pferdemenschen, und Jorn helfen!”. Jorn zögerte eine Weile. Dann antworte er: “Jorn Hunger, Jorn helfen”.
Mit einer langsamen, schlurfenden Bewegung rückte der Ettin voran. Diese Art der Ettins war ein Zeichen davon, dass die Köpfe unterschiedlich gingen. Während der eine laufen wollte hatte der andere vor, gemächlich zu gehen. Hinter sich zog er eine schwere Holzkeule zog. Das feste Holz stammte aus einem von Grochs Kämpfen, ein nicht ganz unnützes Souvenir. Bald sah der zweiköpfige Oger seine Artgenossen, rempelte hier und dort ein schwächer aussehendes Exemplar an und stand schließlich vor Veteran Vrug.
“Wir Hunger!”, sagte der Veteran. Selbst für einen Ettin war er hoch gewachsen. Zahlreiche Narben und seine zerknitterte dunkelgraue Haut zeugten von einem abwechslungsreichen Leben zwischen Sonne und Kampf. Er streckte die Keule in die Richtung des Taminn-Lagers. “Dort Essen!”. Damit war die Ansprache Vrugs schon beendet und sie setzten sich in Bewegung. Jorn hatte auch Hunger, und diese Kost schien er dieses Mal besonders einfach zu bekommen. Daher entschied er sich dagegen, Groch in den Rücken zu fallen und zu schlurfen anstelle zu laufen und fing an,
Während sie zum Taminn-Lager liefen konnte Jorn einen dieser Menschen sehen, die vor ein paar Tagen mit vielen anderen Ettins geredet hatten. Aber nur kurz, den Groch trieb den Körper an. Sie liefen jetzt mit erhobenen Keulen, stürmten auf den Gegner heran und ihr Heulen erfüllte die Luft. Rufe drangen aus dem Lager, als die Taminn sich schnell formierten und eine Abwehr errichten. Ein Pfeilhagel ging auf die grünen Riesen nieder, aber viele der Pfeile drangen nicht tief genug ein um sie tatsächlich zu stoppen. Jorn fluchte, stimmte aber dann mit ins Geheul ein.
Groch und Jorn traten als erste einem Zentaur gegenüber. Er war immer noch überrascht vom dem plötzlichen Angriff einer geballten Ettin-Armee, und noch überraschter war er, als der Schlag seinen Rücken brach und der Schmerz ihn ohnmächtig zu Boden fallen ließ. Ein weiterer Hieb sorgte dafür, dass er nie wieder Schmerz verspüren würde.
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